10.07.2016 12:00
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Die Mühlen bei Stockstadt (Babenhausen & Harreshausen) 1724-1739

 
Kartenausschnitt der Debors MühlenNach dem Verlust der Walkmühle in Hanau suchte die Familie nach einer neuen Arbeitsstätte, um die seit Generationen überlieferte Handwerkskunst fortzuführen. Dabei half ihnen unfreiwillig der neue Besitzer der Hanauer Walkmühle, denn dieser zerstritt sich mit der örtlichen Tuchmacherzunft, die mit der Arbeit des Walkmüllers äußerst unzufrieden war und in Sorge um ihre kostbaren Stoffe nun einen Kenner des Walkerhandwerks herbeisehnte.
Und so brachte man die Tücher und Stoffe aus der Stadt und gab sie der Witwe des verstorbenen Walkmeisters Peter de Boor (Debor, Debohr, Debour), die mit ihren Kindern auf Kurmainzer Gebiet - nahe Stockstadt - gerade erst eine Walkmühle des Grafen von Schönborn übernommen hatte. Ohne Zweifel hatte der älteste Sohn Andreas genügend Kenntnisse vom Vater erworben, um den Betrieb der Mühle sicherzustellen und da kamen die Aufträge aus Hanau gerade recht. Gegen dieses außländische Walken" legte im Februar 1724 der Hanauer Walkmüller N. Scherer Beschwerde ein und bat den Hanauer Grafen, dass die „Tuchmacher und Färber in hiesiger Herrschaftlicher Walk-Mühl bleiben und dem Hohen Herrschaftlichen Interesse nicht zu wieder leben mögen."[1]

Dieses Vergehen blieb für die de Boors, die sich außerhalb der Herrschaftlichen Gerichtsbarkeit aufhielten, offensichtlich ohne Folgen. Dennoch konkurrierte die - inzwischen zum katholischen Glauben konvertierte - Familie mit den in der Grafschaft Hanau-Münzenberg ansässigen Walkmüller um die Aufträge. Als entscheidender Vorteil erwies sich nun die Erfahrung aus mindestens drei Generationen von Tuchwalkern. Ein Beschwerde gegen den Walker Debor vom 24. Oktober 1731 bezieht sich, wie aus den Aktenstücken hervorgeht, auf Andreas Thebor, Andreas du Bois von Stockstadt „untersteht sich" zu behaupten, dass er 1 Loch Tuch in 12 Stunden walken könne, während die Hanauer Meister bescheinigen, dass man 48 Stunden dazu brauche.[2]
Auf Drängen des N. Sauerwein, Strumpfwalker auf der herrschaftlichen Mühle in Hanau, ordnet die Rentkammer eine Untersuchung an. Im Beisein von Zeugen soll Andreas Debor ein Stück Tuch und ein Loch Wollstrümpfe zur Probe aufwalken. Zunächst aber „hat man nicht allein Handgelöbnis an eÿdesstatt von ihm begehret, daß er ohne uble absicht, sondern auf arth und weise wie man zu walken pfleget die prob walken wolte [...], daß er dem nachkommen und die der ordnung so Verfahren wolte."
[1]
Als Beobachter werden dem Beschuldigten der Mühlenverwalter Weil, der Mühlenmeister Otto und auf Befehl der hochgel. Rentkammer, je zwei Strumpfstricker und Tuchmacher zur Seite gestellt.
Das Interesse an der Vorführung scheint unter den Beteiligten allerdings nur auf mäßiges Interesse gestoßen zu sein, denn wie aus dem Protokoll vom 28. Dezember 1731 zu entnehmen ist, zogen sie es vor, erst gar nicht zu erscheinen und verlautbarten schon im Vorfeld, dass „die Zunftmeister und geschworene der Strumpfstricker Zunft wegen des sambstägigen wochenmarkts und wegen ihrer nahrung vor den feÿertagen nicht wohl beÿ der prob zugegen seÿen können."
[1]
Dennoch fand am erwähnten Samstag das Aufwalken auf der Mühle im Beisein der Mühlbediensteten Weil und Otto statt.

Als man die Beteiligten anschließend auf der Rentkammer verhört, um zu erfahren „wie solche prob ausgefallen seÿe", scheint das Ergebnis noch immer unklar, zumal der Wasch- und Walkvorgang zunächst verschoben, dann unterbrochen und schließlich am folgenden Tag fortgesetzt wurde.
Wie aus einem Recessus zu entnehmen ist, fordert der Walker auf der Herrschaftlichen Mühle „noch einmahl eine Behörige Probe nach vorhehriger Zuziehung zweÿer ohnpartheÿischer frembder Walker, wozu Er Sauerwein seines Orths den obblemelten Heinrich Schleiffer gehorsambst vorschlägt, und dem andern freÿ stellt, welchen Er von Seithen seiner erwehlen wolle". Ein Attestat solle zeigen, „was Es eines Theils eigentl. vor eine Beschaffenheit mit dem Strumpf- und Tuchwalkern habe, und wie andern Theils die Du Boische Kunst [...] gantz ein anderes Gesicht bekommen werde."

Warum sich der Stockstädter Tuchwalker auf Hanauischen Gebiet verantworten musste, ist nicht zweifelsfrei geklärt. Möglicherweise wohnte unser Vorfahre zwar in Stockstadt oder Umgebung, betrieb aber eine Mühle, die zum Hoheitsgebiet des Grafen von Hanau gehörte. Aus den Akten ergibt sich später der Hinweis, dass der Walker Andreas Debohr am 27.07.1733 eine Mühle zu Stockstadt gekauft habe und dadurch die Stelle des herrschaftlichen Walkmüllers frei und nun zu besetzen sei.
[2]

Andreas war - wie auch alle seine in Stockstadt und Umgebung lebenden Geschwister - inzwischen verheiratet und hatte in dem kleinen Städtchen am Main 1732 eine Tochter taufen lassen. Während die Geschwister in der Gegend heimisch wurden und die Mühle über Generationen in Familienbesitz blieb (heute Deborsmühle genannt), zog es Andreas bald wieder fort. Zunächst ließ er sich im benachbarten Amt Babenhausen nieder.

Bitt-Schreiben des Andreas TebohrIn einem Anzeige- und Bitt-Memorial vom März 1739 berichtet er der Hochfürstlichen Renth Cammer in Hanau von seiner augenblicklichen Situation. Seiner Hochfürstlichen Excellenz „ist leider! mehr als zu bekant, wasgestalten ich nicht allein durch den Mühl-Bau zu Babenhausen in einige Schulden gerathen, sondern mir auch nach vollendeten Bau von denen andren Müllern, in diesem Amt so viele Verdrüßlichkeiten, und Verleumbdungen angethan worden sind, daß ich in gäntzl Abgang meiner Nahrung gekommen, und mir daher ohnumgängl. gemüßiget gesehen die Mühle hinwiederum zu verlaßen und mein Stück Brod anderwerts zu suchen."
Er will die in Hanau befindliche herrschaftliche Walkmühle pachten, als „ein Hanauisch und in der andern Walk Mühle dahier erzogen- und gebohrenes Kind". Er unterschreibt die Bewerbung mit „Andreas Tebohr, Müller von Babenhausen."

Mühle bei HarreshausenSein Anliegen hat Erfolg - zwei Monate später wird die Hanauer Walkmühle an Andreas (Deboir, Tebohr) verliehen. Im Protokoll vom 21. Mai 1739 bezeichnet man ihn als „Müller auf der Wildprets Mühl beÿ Harreshausen".
Die Wildprets-Mühle (Wilperts-Mühle) an der Gersprenz stand an der Stelle, wo später eine Papiermühle, bzw. eine Pappdeckelfabrik erbaut wurde.
[3]
Auszug aus dem Plan von Harreshausen [4]                

 
 
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[1] Hessisches Staatsarchiv Marburg, 85 Hanauer Kammer, XII Nr. 19.
[2] Aufzeichnungen von Werner de Boor nach Durchsicht der Marburger Akten im Jahr 1939. 
[3] Alphabetisches Verzeichnis der Wohnplätze im Grossherzogthum Hessen. Herausgegeben von der Grossherzoglichen Centralstelle für die Landesstatistik, 1869.
[4] Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Signatur O 61 Buxbaum Nr. 1 / 168.



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